Um Rechte von Pflanzen lässt sich nicht sinnvoll streiten, wird nicht zuvor geklärt, was unter ‹Recht› verstanden wird. Gemeint ist hier subjektives Recht; doch weil wir Pflanzen nicht unter die vernunftbegabten Lebewesen einordnen, geht es weder um Herrschafts- noch um Gestaltungsrecht. Es bleiben die Anspruchsrechte: Befugnisse, die für die Berechtigten aus dem objektiven Recht resultieren. Sie müssen nicht vom Träger selber, sondern können von einem Vertreter beansprucht werden. Solche Rechte werden von Menschen als vernünftige und sittliche Wesen gesetzt, im Falle von Pflanzen gestützt auf Einsichten, die sich aus Vertiefung in das den Pflanzen eigenste Wesen und aus der hieraus fliessenden Zuwendung ergeben – einer jener Prozesse, in welchem Menschen Humanität und damit ihre Würde bekräftigen können. – Zu solchen Rechten zählen Rechte auf Fortpflanzung (richtet sich etwa gegen die sog. Terminator-Technologie), auf Eigenständigkeit und Evolution (kann Grenzen für Züchtung und Haltung implizieren), auf Überleben der eigenen Art, auf respektvolle Forschung und Entwicklung sowie darauf, als Pflanze, d. h. als dieses eigenständige Lebewesen nicht patentiert (nicht also gleichsam versklavt) zu werden.
Der Zugang zum Wesen der Pflanze erschliesst sich auf vielerlei Wegen: über Emotionen und ästhetisches Empfinden, über Bildung und Erziehung, über Kultur schlechthin. Der Weg der Naturwissenschaften ist einer unter anderen, doch sind es hier gerade die modernen Konzepte der Biologie, darunter Zell- und Molekularbiologie, die uns zu neuen, unerwarteten Erkenntnissen geführt haben: Pflanzen sind Lebewesen, denen es in ihrem Leben um dieses selbst geht. Sie passen sich dauernd an ihre Umwelt und deren Veränderungen an, kommunizieren miteinander und mit anderen Lebewesen, über und unter der Erde. Duftstoffe und andere Signale benützen sie. Ihr Wachstum und ihre Reaktionen auf die Umwelt sind nicht ausschliesslich genetisch fixierte Reflexe. Der Mensch, auf Werte ausgerichtet, spricht vom Eigenwert der Pflanzen; als moralisches Wesen wird ihn Achtung erfüllen, nicht zuletzt weil er mit Pflanzen in ihrer Geschichte und ihrem Dasein zahlreiche Eigenheiten teilt und, dem Gleichheitsgrundsatz folgend, sich bemüht, Gleiches gleich (Ungleiches aber auch ungleich) zu bewerten und zu behandeln.
Achtung – mit Albert Schweitzer Ehrfurcht – hält uns an, Pflanzen um ihrer selbst willen zu pflegen, zu schonen, sie nicht ohne guten Grund zu beeinträchtigen, zu vernutzen, auch wenn wir in unserem Dasein vielfältig von ihnen abhängen, sie brauchen und verbrauchen müssen – so etwa für die Ernährung, aber auch in der Wissenschaft. Wenn wir ihnen Anspruchsrechte zusprechen, dann nicht, weil wir uns auf ein uns bindendes Naturrecht beziehen, sondern weil wir uns aus eigener Einsicht und aus moralischer Betroffenheit Grenzen für den Umgang mit Pflanzen setzen. Dies mit dem Ziel, diesen Umgang nicht allein aus – legitimem – Eigeninteresse zu gestalten, sondern in Anerkennung des erfassten Eigenwertes aller Pflanzen. Unserer Ehrfurcht können wir Ausdruck geben, indem wir von der Würde der Pflanze sprechen – wie das die Schweizerische Bundesverfassung seit 1992 (seit 1999 in Art. 120 Abs. 2) sowie Parlament und Verwaltung in anschliessenden Erlassen (Gesetzen und Verordnungen) zu tun pflegen. –
Für weiterführende Quellen sei verwiesen auf «Die Würde der Kreatur bei Pflanzen». Bericht der Eidgenössischen Ethikkommission für die Bioethik im Ausserhumanbereich (EKAH), April 2008, https://www.ekah.admin.ch/inhalte/_migrated/content_uploads/d-Broschure-Wurde-Pflanze-2008.pdf, sodann auf «Pflanzen neu entdecken. Rheinauer Thesen zu Rechten von Pflanzen». September 2008. http://www.blauen-institut/ch/tx_blu/ta/ta_rheinau_02_d.html.
- August 2011