Rechte für nichtmenschliche Wesen

[Rara Avis (Costa Rica), am 9. September 1998, 7 Uhr früh, vor dem Wasserfall]

Da steht ein Baum, schwarzer Stamm, über dem Abhang, im Abgrund rauscht der Wasserfall, zweigeschossig.

Warum hat dieser Baum ein Recht? Hat er ein Recht? Er hat ein Recht gegenüber Menschen. Gegenüber Wesen, die Recht denken, Rechte erfassen können. Die Debatte um Rechte der Natur ist verwirrt, unklar. Das zeigt der Einwand, ob denn der Löwe, der einen Büffel reisse und verschlinge, des Büffels Rechte respektiere.

In der Natur gibt es Wesen, die Rechte konzipieren können. Nur ihnen gegenüber haben Naturwesen Rechte: rights of nature against reasonable beings. Alles andere ist Unsinn: Die Rechtskatekorie hat unter nicht der Rechtsreflexion fähigen Wesen keine Bedeutung. Das impliziert kein Zugeständnis an den Anthropozentrismus, wohl aber Akzeptieren der Anthroporelationalität des Rechtsdiskurses.

Dieser Baum da hat gegenüber Menschen ein Recht darauf, in seinem Sein nicht missbraucht zu werden. Das heisst: nicht blosses Instrument zu sein, beliebige Sache, dienlich zur Erfüllung beliebiger Zwecke.

Rechtsfähig ist ein Wesen, weil rechtskonstituierende Augen es betrachten. Wesen erscheinen anderen Wesen im Rahmen bzw. unter den Bedingungen von deren Rezeptivität. Sie sind das, als was sie erscheinen, unter der Voraussetzung, dass “man” sich ganz und nach Kräften auf sie einlässt. Hierin: dies nach bestem Vermögen zu tun, liegt die Fähigkeit und mit dieser, weil sie reflektierbar ist, die Verantwortung des Menschen. Darin liegt seine Würde, die er auch verspielen kann.

Nicht um Rechte gegenüber allen Wesen und in gleicher Weise geht es, sondern um Rechte in der Natur gegenüber Menschen als besonderen Erscheinungen in der Natur.

«Die Welt, dem unwissenden Egoismus überantwortet, ist wie ein Tal, das im Finstern liegt; nur oben auf den Höhen liegt Helligkeit. Alle müssen in dem Dunkel leben, nur eines darf hinaus, das Licht schauen: Das höchste, der Mensch. Er darf zur Erkenntnis der Ehrfurcht vor dem Leben gelangen, er darf zur Erkenntnis des Miterlebens und Mitleidens gelangen, aus de Unwissenheit heraustreten, in der die übrige Kreatur schmachtet.» (Albert Schweitzer, 23. Februar 1919) Er kann seiner Achtung vor allem andern Lebendigen dadurch Ausdruck geben, dass er ihm, Rechte einräumend, gerecht wird.

(Ergänzt und leicht bearbeitet 22.10.08)